Der eigentliche und richtige Platz unseres Existierens ist Gott selbst!
Liebe Brüder und Schwestern!
Größe des Menschen
Der heutige Festtag Christi Himmelfahrt mag uns vielleicht auf Anhieb Schwierigkeiten bereiten im inneren Verständnis des Festes – vor allem weil sich da offensichtlich etwas Widersprüchliches, Paradoxes zeigt: Jesus bricht auf zum Vater - das bedeutet Abschied, Trauer – und die Jünger sind erfüllt von Freude. Es muss also etwas mitschwingen, was diese Freude begründet und auslöst. Tiefer besehen wird hier eine Sicht vom Menschen transportiert, die einfach Freude auslöst, weil sie die Größe des Menschen im Blick behält.
Bewegung nach oben
Christi Himmelfahrt ist nicht einfach ein Schauspiel für die Jünger, sondern ein Vorgang, in den die Jünger selbst hineingenommen sind. Es ist eine Bewegung nach oben, in die wir alle hineingerufen werden. Es sagt uns, dass der Mensch nach oben hin leben kann, dass er der Höhe fähig ist. Der Mensch wird auf die Höhe Gottes gehoben – das ist die angemessene Höhe des Mensch-Seins. Auf dieser Höhe kann der Mensch leben, und nur von dieser Höhe her bleibt der Mensch auch verstehbar. Der Mensch, der nicht zur Höhe Gottes findet, bleibt unvollendet und unvollendbar, bleibt ein Torso.
Das gefallene Bild Adams wieder aufheben
Die Liturgie der Ostkirchen formuliert für den heutigen Tag: „Der Herr ist aufgestiegen, um das gefallene Bild Adams wieder aufzuheben …“ – Das Bild des Menschen ist wieder aufgehoben, in die Höhe gehoben; aber wir haben die Freiheit, es herabzureißen oder uns aufheben zu lassen. Wir werden den Menschen nicht verstehen, wenn wir nur nach dem fragen, woher er kommt. Wir verstehen den Menschen erst, wenn wir auch fragen, wohin er geht, wohin es gehen kann. Erst von seiner Höhe her – von Gott her – erhebt sich sein Wesen wirklich. Und nur wenn diese Höhe wahrgenommen wird, erwächst eine unbedingte Ehrfurcht vor dem Menschen, die ihn auch noch in seiner Erniedrigung heilig hält; nur aus diesem Gottesbezug des Menschen kann man das Mensch-Sein in sich und in den anderen wirklich lieben lernen.
Blick auf unseren Ursprung
Das Fest Christ Himmelfahrt ist ein Fest des Glaubens. Und dieser Glaube erinnert uns am heutigen Tag an vieles. Er erinnert uns, dass das Bild Adams – wie es die Ostkirchen formulieren – gefallen ist, aber er erinnert uns vor allem daran, dass das Bild des Menschen, der gefallen ist, noch immer das Bild des Menschen ist, der Geschöpf Gottes bleibt und der aus seiner Liebe nicht herausfällt. Der Glaube hindert und daran, das zu vergessen, und der Glaube weckt in uns die verschüttete Erinnerung an unseren Ursprung: wir kommen von Gott her, wir haben in ihm unseren Ausgangspunkt. Der Glaube fügt dem aber noch eine wesentliche Erinnerung hinzu, die sich gerade am heutigen Festtag Christi Himmelfahrt ausspricht: der eigentliche und richtige Platz unseres Existierens ist Gott selbst; von daher müssen wir den Menschen ansehen.
Das positive Grundmaß des Menschen
Christ Himmelfahrt legt das positive Grundmaß des Menschen wieder frei – und dieses Grundmaß zu kennen, ist ein wirksamer Schutz gegen jede Verkleinerung und Verachtung des Menschen. Christi Himmelfahrt prägt uns die Größe des Menschen neu ein und immunisiert uns gegen den falschen Moralismus, der ein negatives Bild vom Menschen zeichnet, dass nur noch Verachtung übrig bleibt.
Christi Himmelfahrt lehrt uns neuen Respekt und Ehrfurcht vor der Größe des Menschen und gibt uns die Freude am Mensch-Sein zurück. Amen.