Geschichte
Gründung
Der hl. Altmann (1015/1020-1091), seit 1065 Bischof von Passau, gründet Stift Göttweig im Jahr 1083 als Doppelkloster, das elf Jahre nach der Regel des Hl. Augustinus lebt und ab 1094 nach jener des Hl. Benedikt.
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Bischof Altmann von Passau ist der einzige als Heilige verehrte Bischof der einstigen Großdiözese Passau, deren Gebiet die heutigen Diözesen Passau, Linz, St. Pölten und Wien umfasste. Um 1010/1020 in Westfalen geboren, entstammte er einem bedeutenden, weit vernetzten Grafengeschlecht und wurde als kaiserlicher Hofkaplan von Kaiserin Agnes 1065 zum Bischof von Passau bestimmt. Zuvor hatte er an einer großen Wallfahrt in das Heilige Land teilgenommen.
1072 weihte Altmann auf dem Berg Göttweig, wo seit dem 9. Jahrhundert auch eine Holzkirche St. Georg stand, die Kirche St. Erentrudis neu. Das den Berg einschließende Gut Paudorf hatte er von dem mit ihm verwandten Formbachern aus Radlberg erhalten und war offenkundig zuvor Teil des großen Salzburger Besitzes, der von den Arnsdörfern in der Wachau über Wölbling bis Traismauer reichte. Der Berg Göttweig war seit 2.000 v. Chr. phasenweise immer wieder besiedelt, wie archäologische Funde beweisen.
1083 gründete Altmann Stift Göttweig als Doppelkloster, das die ersten elf Jahre nach der Regel des Hl. Augustinus lebte und 1094 jene des Hl. Benedikt übernahm. Die Mönchsklosterkirche auf dem Berg weihte er der Gottesmutter Maria, die Frauenklosterkirche im Fladnitztal dem Hl. Blasius. Sein Freund und Metropolit, Erzbischof Gebhard von Salzburg, weihte die Mönchskirche des Doppelklosters Admont gleichfalls dem Hl. Blasius.
Altmanns Hauptanliegen waren die Erneuerung des Glaubens und die Reform des Klerus und der Klöster. Er reformierte die alten Stifte St. Florian, Kremsmünster und St. Pölten, wirkte mit an der Errichtung des Chorherrenstifts Rottenbuch sowie an der Umwandlung des Kanonikerstifts Melk in eine Benediktinerabtei und gründete vor Göttweig das Doppel-Chorherrenstift St. Nikola bei Passau.
Im Investitursteit, der sich an den Modalitäten der Einsetzung von kirchlichen Amtsträgern entzündete, sowie in der damit zusammenhängenden Kirchenreform unterstütze Altmann vehement die Position Papst Gregors VII. (1073-1085). Er wurde von ihm und seinen Nachfolger hoch geschätzt. 15 Jahre lang war er päpstlicher Legat für das Reich, von 1076 bis zu seinem Tod. Deshalb und wegen seiner Unterstützung des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden vertrieb ihn König Heinrich IV. 1078 aus Passau. In seine Bischofsstadt, wo ein Gegenbischof eingesetzt wurde, konnte er nie mehr zurückkehren. Er vermochte fortan nur im östlichen Teil seiner Diözese zu wirken; als Legat reiste er jedoch durch das ganze Reich.
Am 9. September 1083, dem Fest des Hl. Gorgonius (Schutzpatron von Gorze, dem Ausgang einer von Altmann bevorzugten benediktinischen Reformbewegung), weihte der Bischof die Männerklosterkirche der Muttergottes. Obwohl den Babenbergern eng verbunden - Leopold II. hatte sich seinetwegen von Heinrich IV. losgesagt und war deshalb 1082 von den Böhmen bei Mailberg besiegt worden - beauftragte er die mit ihm verwandten Formbacher von Radlberg mit der Vogtei des Stiftes. Gleichzeitig übertrug Altmann den Brüdern die Seelsorge für vier Pfarren. Heute umfasst der Seelsorgebereich des Stiftes mehr als 30 Pfarren.
Am 8. August 1091 starb Altmann im Passauer Hof von Zeiselmauer, nahe bei Tulln, wo ein Sitz des Markgrafen Leopold II. war. Beerdigt wurde er in Göttweig, sein Grab zog sehr bald hilfesuchende Kranke und Wallfahrten an; die erste kam aus Tulln. Altmanns Reliquien befinden sich heute in einem kostbaren barocken Schrein in der Krypta der Stiftskirche.
Um dem als Passauer Eigenkloster gegründeten Göttweig Stabilität zu verleihen (in Passau herrschte noch ein Gegenbischof) wurde es nach dem Tod von Altmann, der ein großer Förderer der Chorherren-Bewegung war, jedoch vermutlich ganz in seinem Sinn in eine Benediktinerabtei umgewandelt. Erster Abt wurde 1094 der Prior von St. Blasien, Hartmann (+1114), der zuvor Propst von St. Nikola und Kanzler des Gegenkönigs Rudolf gewesen ist und aus kirchenpolitischen Gründen, jedoch völlig gegen den kirchlichen Reformgeist seiner Zeit, gleichzeitig Abt von St. Lambrecht in der Steiermark, von St. Ulrich und St. Afra in Augsburg und von Kempten im Allgäu war.
Aus der Zeit Bischof Altmanns stammen noch das Kirchenschiff der Stiftskirche und die jüngst freigelegten Grundmauern der Kirche St. Blasien in Klein-Wien.
Des Heiligen Bischofs wird zweimal im Jahr gedacht: Am 8. August, seinem Sterbetag, und am 16. Juni, dem Translationstag (1362 ließ Herzog Rudolf der Stifter Altmanns Gebeine erheben und neu bestatten). |
Mittelalter
Im 15. Jahrhundert folgte die zweite große Bauperiode, aus der Krypta und Chor der Stiftskirche, der Chor von St. Blasien und die gotische Burg stammen.
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Göttweigs Bedeutung nimmt rasch zu. Von hier aus werden neue Klöster besiedelt: 1107 Garsten und 1116 Seitenstetten. Ein im Seckauer Verbrüderungsbuch festgehaltenes Konventverzeichnis nennt Abt Johannes (1557-1174), 17 Mönche und 21 Nonnen.
Um 1250 wurde das Frauenkloster, deren bedeutendste Nonne und Bestifterin die Herzogin Gerbirg (+1042), eine Schwester Markgraf Leopolds des Heiligen, war, auf den Göttweiger Berg verlegt. In seinem Umfeld soll auch die Inklusin Ava (+1127), die erste Dichterin in deutscher Sprache, gelebt haben. Im 12. Jahrhundert nimmt die österreichische Annalistik in Göttweig ihren Ausgang, Vor allem die "Vita Altmanni" sowie andere hier entstandene Bücher sind heute wertvolle mittelalterliche Geschichtsquellen.
1382 erhält der Göttweiger Abt die Pontifikalien, 1401 wird das Kloster "exempt", ist also nicht mehr dem Bischof, sondern direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt.
Im 15. Jahrhundert begann die zweite große Bauperiode, von der heute noch vieles zu sehen ist: Krypta und Chor der Stiftskirche, ein Teil des Kreuzgangs und die Burg sowie der Chor der Kirche St. Blasien. Die damals völlig neu gebaute Pfarrkirche St. Gotthard ist dem Stiftsbrand 1718 zum Opfer gefallen. Ihr Nachfolgebau wurde die 1993 geweihte Pfarrkirche St. Altmann in Paudorf. In der Zwischenzeit war die Stiftskirche auch Pfarrkirche.
Ab 1418 wurde das Kloster durch den Anschluss an die Melker Reform innerlich erneuert. Dennoch nahm die Zahl der Konventmitglieder immer mehr ab, die Schulden wuchsen, die Lehren Martin Luthers und anderer Reformatoren brachten Verwirrung und Ratlosigkeit, die Türkengefahr wurde immer größer. Unter Abt Matthias von Znaim (1516-1532) wird das Stift befestigt und kann so dem Türkensturm von 1529 widerstehen, als 6.000 Streifscharen das Stift erfolglos belagern. Der Konvent zählte 1514 noch 18 Mönche und 15 Nonnen.
Nach dem Tod von Abt Leopold Rueber lebte 1556 nur noch ein Mönch im Haus, das Kloster war am Ende und wurde dem Propst von Herzogenburg, Bartholomäus a Cataneis, unterstellt. Dieser schloss 1557 den noch aus sieben Nonnen bestehenden Frauenkonvent und verlegte ihn nach St. Bernhard bei Horn, wo dann 1582 die letzte Nonne starb. Dieser Konvent besaß seit 1508 eine mittelhochdeutsche feminisierte Benediktus-Regel, die 1992 erstmals gedruckt wurde.
Das Göttweiger Frauenkloster war wohl der älteste und am längsten bestehende Frauenkonvent eines niederösterreichischen Doppelstifts. Sieht man vom Sonderfall Geras-Pernegg ab, ist die Kirche St. Blasien die einzige heute noch bestehende Frauenklosterkirche eines Doppelstifts im Land unter der Enns.
1564 wurde der Melker Benediktiner Michael Herrlich (1564-1603) als neuer Abt eingesetzt - er gilt heute als zweiter Gründer des Stiftes. Trotz wirtschaftlicher Notlage (Klosterbrand 1580, Reformationszeit, Pest, geringe Anzahl von Mönchen) rettete er in seiner fast 40-jährigen Amtszeit die Kontinuität des Klosters. |
Barockzeit
Die barocke Hochblüte in Göttweig ist untrennbar mit dem Namen von Abt Gottfried Bessel (1714-1749) verbunden, dem 50. Abt von Göttweig. Sein größtes Werk ist der Neubau des Stiftes, der nach der Brandkatastrophe 1718 notwendig geworden war.
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Der kaiserliche Architekt Johann Lucas von Hildebrandt lieferte die Pläne für den grandiosen Klosterbau, der 1720 begonnen wurde. 1725 übergab Hildebrandt die Bauführung an Franz Jänngl; ab 1734 leitete Franz Anton Pilgram die Fortführung des großen Werkes.
Abt Bessel verband politisches Geschick mit einer hohen Kompetenz als Theologe, Geschichtswissenschafter, Berater und Diplomat im kaiserlichen Dienst, Rektor der Universität Wien und Kunstmäzen.
Den modernen Grundsätzen des mit ihm befreundeten Gottfried Wilhelm Leibniz zufolge, sollte das Kloster Zentrum für Kunst und Wissenschaft werden. Als Historiker nutzte Bessel bereits sehr früh das kritische Quellenstudium für sein 1732 erschienenes "Chronicon Gotwicense". Seine Kunst- und Wunderkammer mit dem Graphischen Kabinett ist bis heute von überregionaler Bedeutung. |
19. und 20. Jahrhundert
Nachdem die Zeit des Josephinismus und der Franzosenkriege beträchtliche Einschnitte für das Stift brachte, begünstigte die Wiedereröffnung der theologischen Hauslehranstalt 1804 das geistige Leben der Göttweiger Mönche.
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Nachdem die Zeit des Josephinismus und der Franzosenkriege beträchtliche Einschnitte für das Stift brachte, begünstigte die Wiedereröffnung der theologischen Hauslehranstalt 1804 das geistige Leben der Göttweiger Mönche.
Das Jahr 1848 brachte mit der Staats- und Verwaltungsreform die Auflösung der Grundherrschaft und damit auch große Schwierigkeiten für das Stift, das sich erst an die neuen Verhältnisse gewöhnen musste.
Das wissenschaftliche Interesse der Patres jener Zeit galt nicht nur theologischen Fächern, sondern auch anderen Wissensgebieten - so wurde etwa der Archivar Pater Friedrich Blumberger wegen seiner Arbeiten zur Mittelaltergeschichte zu einem der ersten Mitglieder der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Der "Höhlenpfarrer" Pater Lambert Karner widmete sich künstlichen Höhlen und Erdställen. Pater Leopold Hacker war nicht nur Mineraloge und Insektenkundler, er entdeckte auch die Gudenushöhle. Pater Benedikt Kissling stieß bei seinen botanischen Forschungen auf eine neue Erd-Orchidee, die heute noch seinen Namen trägt. Durch seine frühzeitlichen Bodenfunde erlangte Abt Adalbert Dungel bedeutenden Ruf als Archäologe. Dafür wurde ihm 1886 als hohe Auszeichnung der Franz Joseph-Orden verliehen.
Der Erste Weltkrieg war für das Stift, wie für die ganze Region um den Göttweiger Berg, eine schwere Zeit. Nach dem Ende der Monarchie konnte man sich nicht so schnell auf die neuen Umstände einstellen.
Im Zweiten Weltkrieg werden die Mönche aus dem vom NS-Regime beschlagnahmten Stift vertrieben, das Haus wird als "Napola" (nationalpolitische Erziehungsanstalt) und auch als Umsiedlerlager verwendet.
1945 quartieren sich für mehrere Wochen 3000 russische Soldaten im Klostergebäude ein, ehe die vertriebenen Patres am 15. August 1945 wieder nach Göttweig zurückkehren konnten. Jedoch schienen die Wiederaufbauarbeiten menschliche Kräfte zu übersteigen. Als Abt Hartmann Strohsacker 1946 verstarb, bezweifelte man auch kirchlicherseits die Chancen für einen Neubeginn und die Existenzberechtigung Göttweigs. |
Jüngere Geschichte
Den Äbten Edmund Vasicek (1947-1949), Wilhelm Zedinek (1949-1971) und Benedikt Ramoser (1971-1973) gelingt mit ihren Mitbrüdern das unmöglich Scheinende: Unter schwierigsten Bedingungen stellen sie die selbständige wirtschaftliche Lebensfähigkeit des schwer geschädigten Stiftes wieder her - Göttweig blüht von Neuem auf.
Unter Abt Clemens Lashofer (1973-2009) verdoppelt sich der Personalstand, das Stift kann zusätzlich zu seinen Aufgaben neue Aktivitäten beginnen. 1969 wird durch den späteren Wiener Erzbischof Hans Hermann Kardinal Groër die Wallfahrt in der Stiftspfarre Maria Roggendorf erneuert, 1991 kann das Stift an der Wallfahrtskirche ein Priorat begründen, das im Dezember 2005 als selbständiges Kloster errichtet wird.
Im Jahr 1978 beginnt eine intensive Gesamtrestaurierung des Göttweiger Klosterkomplexes, die zum größten Teil mit der Renovierung der Erentrudiskapelle 2003/04 zum Abschluss gekommen ist. Anlässlich des 900-jährigen Stiftsjubiläums wird 1983 das Exerzitienhaus St. Altmann eingeweiht und 1999 - anstelle des Sängerknabenkonvikts - ein Jugendhaus eröffnet.
Am 14. August 2009 wurde Columban Luser zum 65. Abt von Göttweig gewählt. Gemäß seinem Leitwort "Communio" führt er das Stift und die klösterliche Gemeinschaft in den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit.